Samstag, 22. August 2009

Die Jungfrau von Copacabana

Die Jungfrau von Copacabana steht in einer Kirche am Titicacasee, ist die Schutzpatronin der Polizisten und Chauffeure und hat sehr viele devote Anhänger. Zu ihnen zählt auch Don Fidel. Unser Fahrer, Bote und Mann für alles gehört einer Bruderschaft an, die sich der Anbetung dieser Jungfrau verschrieben hat. Ein Jahr lang beherbergte er nun ein Bild der Schutzpatronin in seinem Haus, und bevor die Darstellung zu einem anderen Mitglied wechselt, musste er nun ein Fest für zweihundert Leute ausrichten. Das kostete Don Fidel mehrere tausend Euro. Ich war eine der wenigen Geladenen aus der Defensoría del Pueblo und streute ihm am Ende der Messe wie alle anderen Papierschnitzel ins Haar und auf sein Bild. Aufs Fest habe ich es dann aus vielen Gründen leider nicht geschafft. Ich hoffe, Fidelito trägt mir das nicht nach.

Sonntag, 16. August 2009

Überlebt


Gonzalo hetzte neben mir auf dem Kopfsteinpflasterweg durch die Hotelanlage bei Cochabamba. Es hatte gerade ein bolivianischer Referent abgesagt, der Minister sein auf Donnerstag verschobenes Kommen auf Freitag zurückverlegt, Aerosur für diese Woche alle Morgenverbindungen von La Paz nach Cochabamba gekanzelt, die Kollegin aus Puerto Suarez ihr Flugzeug verpasst. Eine andere Kollegin wollte die mühevoll zusammengebastelte Zimmerbelegung neu aufrollen, der Drucker funktionierte immer noch nicht, und unser provisorisches Eventbüro war nach wie vor auf meinem Hotelbett installiert. Wir schauten uns verzweifelt an. „Das überleben wir“, versicherten wir uns schnell und hetzten lachend weiter.

Klar haben mein Chef Gonzalo, Kollege Héctor und ich als Organisationstrio die dreitägige Veranstaltung überlebt. Sie trug den langen Titel „Soziale Konfliktivität und Menschenrechte im Rahmen der aktuellen bolivianischen Staatsverfassung“. Hinterher ist dann immer alles nicht mehr so schlimm. Alle sind zufrieden, die kleinen Malheurs längst vergessen, und wir haben sogar eine schriftliche Belobigung der Defensora erhalten, ein Memorandum, das eine amtliche Korrespondenznummer trägt. Aber es war ein Kraftakt.

Seit Monaten hatten wir die Veranstaltung geplant: das dreitägige Programm, die 13 Referenten, die 100 Teilnehmer. Das hieß, ein Konzept ausarbeiten, Einladungen verschicken, Okays von oben einholen, Vortragende briefen, Kosten kalkulieren, Geldgeber gewinnen, ein Hotel unter Vertrag nehmen, Dokumente zusammenstellen, An- und Abreisen koordinieren, Namensschilder in Auftrag geben - und unzählige Listen in Excel ausarbeiten: der Teilnehmer, der Flugdaten, der Hotelbelegung, der Mittagessen, der Ausgaben, der Herkunftsorte, der Ausweisnummern und all der anderen Informationen, die man sonst noch in Listen sammeln kann oder muss.

Für eine staatliche Institution war es revolutionär, dass nicht nur 50 Kollegen aus dem eigenen Haus und den Büros aus dem gesamten Land teilnahmen, sondern auch Leute von außen: 20 Vertreter sozialer Verbände aus ganz Bolivien und zehn Repräsentanten von Menschenrechts- und anderen internationalen Organisationen. Dazu kamen Defensoría-Kollegen aus Peru, Kolumbien, Mexiko und Argentinien, vier Referenten aus Bolivien, darunter ein Philosoph, eine Soziologin und ein Indigena-Führer, die zwei ehemaligen Defensores und natürlich die aktuelle sowie der Vertreter des Carter-Centers und ein Minister.

Am ersten Tag stand ein Erfahrungsaustausch der Defensorías del Pueblo in Lateinamerika in sozialen Konflikten und Menschenrechten auf dem Programm. Am zweiten Tag ging es um die Konjunktur, Interkulturalität, soziale Bewegungen und Konflikte in Bolivien. Und am dritten wurde über die bolivianische Defensoría del Pueblo, ihre Erfahrungen, die Schwierigkeiten, Herausforderungen und Zukunftvisionen in diesem schwierigen Panorama gesprochen.

Da die Kollegen nicht im eigenen Saft schmoren konnten, gab es auch harte Kritik: Die Defensoría del Pueblo hat sich vom sozialen Wandel im Land abgekoppelt, die weißen Mittelschichtsanwälte wissen wenig über die soziale Realität der Mehrheit ihre Landsleute, die Struktur der Institution ist überholt, sie versucht verzweifelt, sich aus der Polarisierung im Land herauszuhalten und übersieht dabei, dass Menschenrechtsarbeit eben politische Arbeit ist. Die Vorschläge: Die Institution muss aufs Land gehen, sich strukturell erneuern, interkulturell ausrichten und in die Politik einmischen, ohne parteipolitisch zu werden.

Hohle Worte, könnte man nun urteilen. Aber – zugegeben zufälligerweise – wird gerade der Strategieplan für die nächsten zwei Jahre überarbeitet. Und tatsächlich sollen die Ergebnisse der Veranstaltung darin einfließen. Es gibt also Hoffnung, dass die Anstrengung Früchte trägt.

Abgesehen von dieser erfreulichen Aussicht, 1000 Fotos, 24 Stunden Ton- und Bildaufzeichnungen, viel Schweiß und sechs Arbeitstagen von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts gibt es auch sonst durchaus Schönes zu berichten. Unser Mann für alles, Don Fidel, der das Organisationstrio zum Quartett macht, hat mich als Zeichen seiner Freundschaft auf ein wunderbares Bier eingeladen. Héctor und ich verstehen uns inzwischen ohne Worte. Und Gonzalo begrüßte mich beim Gesellschaftsabend, den es natürlich auch gab, mit den Worten: „Meine Seelenfreundin!“

Den fünfstündigen Rückweg hinauf auf die Hochebene und nach La Paz traten wir vier wieder im Dienstwagen an, nachdem am Samstag auch der letzte Teilnehmer abgereist war. Wir genehmigten uns erst einmal ein Riesenportion in Fett ausgebratener Schweineschwarten an der staubigen Durchgangssstraße von Vinto, mit gekochten Maiskörnern und einer Zweiliterflasche Fanta. Erschöpft saßen wir unter dem Segeltuch an einem kleinen Holztisch und zerrupften das Fleisch mit den Fingern, ohne viel zu sprechen. Zehn Meter weiter säuberten Arbeiter mit dem Hochdruckreiniger Motorfilter. Am Nebentisch genehmigte sich einer schon ein Bier. Der Lautsprecher versuchte den Verkehrslärm mit Bonanza zu übertönen, „música chicha“, wie man hier sagt.

Und dann, kurz bevor wir aufstanden, um wieder ins Auto zu steigen, da hätte ich meine drei Männer plötzlich am liebsten abgeküsst. So ist das, wenn es da ist, dieses unerklärliche bolivianische Glücksgefühl.


Ein historisches Foto: Die drei Chefs in der Geschichte der Defensoría del Pueblo.

Minister Héctor Arce bei seinem Vortrag.




Die Chefin aus dem Defensoría-Büro in Tarija und der Repräsentant des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in einer Pause.

Das Ballett des Cochabambiner Stadttheaters beim Gesellschaftsabend.

Der Gesellschaftsabend.

Mit meinem Ex-Kollegen Pablo aus Peru und meinem aktuellen Kollegen Héctor.
Gruppenarbeit.

Gonzalo in einer Pause.

Don Fidel (rechts) und sein Cochabambiner Kollege Primo.


Die Defensora Rielma Mencias.

Auf dem Hinweg von La Paz nach Cochabamba.

Die drei Männer: Gonzalo, Fidel und Héctor.

Sonntag, 2. August 2009

Sixpacks



So ein WG-Abend kann ziemlich spaßig sein. Inzwischen gehen wir alle drei zu José Luis in die Pilatesstunden. Und während Männer in unserem Alter Bierbauch-Wettbewerbe veranstalten, vergleichen wir unsere Wadeln, Bizeps und Sixpacks...