Donnerstag, 31. Januar 2008

Hochsommer in Lima

Ich habe es endlich geschafft, den Nebel zu fotografieren - nicht dass jemand auf die Idee kommt, ich erfinde das alles!!





Samstag, 12. Januar 2008

Markt der Wünsche



Auf meinem Schreibtisch steht ein Glasfläschchen in der Größe eines Hotel-Shampoos. In der Flüssigkeit zwängen sich allerlei Dinge, die ich nicht mit Namen nennen kann. Sie sind rot, gelb, grün, violett, sie sind länglich, quadratisch, undefinierbar. Die einzigen beiden Gegenstände, die ich wirklich erkenne, sind aus Blei. Ein Frosch und ein Hufeisen in der Größe eines Daumennagels.

Das Fläschchen habe ich einer bolivianischen Schamanin abgekauft. Hier in Lima, auf der „Feria de los Deseos“, dem „Markt der Wünsche“. Die Frau war alt und dick, trug geplusterte Röcke und hatte ihr Haar in Zöpfen gebunden. Sie kaute Cocablätter und räumte mit behäbigen Bewegungen die getrockneten Fuchstatzen, Vogelskelette, Amulette und Kräuterschächtelchen an ihrem Stand um. Wortkarg erklärte sie mir die Ingredienzien des Fläschchens. Ich verstand überhaupt nichts - ich kenne ihre Kechua-Ausdrücke nicht und mir war auch nicht wirklich klar, worauf ihr langer Daumennagel gerade zeigte. Nur soviel verstand ich: Das Fläschchen soll mir Glück bringen auf Reisen.

Der Markt findet immer zur Jahreswende auf dem Campo de Marte statt, im Zentrum Limas. Dann reisen die Curanderos, also Heiler, Schamanen und Kräuterkundigen, aus der Hochebene von Puno und Bolivien an und bieten ihre Dienste feil. Sie lesen die Zukunft aus Cocablättern und vertreiben Krankheiten, indem sie mit einem rohen Ei, einem Meerschweinchen oder einem Gürteltier über den Körper streichen. Die Menschen, die vor den Ständen auf Plastikhockern auf die Behandlung warten, halten Blumen in der Hand. Denen, die aus der Behandlung kommen, also hinter dem Vorhang hervortreten, kleben noch die Blütenblätter im Haar und auf den Schultern.






Auf den Banderolen über ihren Ständen werben die Curanderos mit Handynummern, E-Mail-Adressen und ihren Diensten. Die Krankheiten, die der Medizinratgeber für die deutsche Familie auflistet, behandeln sie in der Regel nicht. Stattdessen kurieren sie bösen Zauber und den Susto, den Schrecken. In den Anden glaubt man nicht, dass eine Krankheit nur körperlich bedingt ist. Sie ist immer Ausdruck dafür, dass etwas in der Seele nicht stimmt, ein Zeichen für schlechte Energien. Und die ziehen die Curanderos ab durch eine Reinigung.

Daneben verkaufen sie Amulette: für Glück in der Liebe, mit dem Geld und bei der Arbeit, gegen den bösen Blick, Krankheiten und Unglück. An einem Stand deckt sich eine junge Frau im großen Stil ein: An ihrem Arm hängen schon unzählige Tütchen mit kleinen Flaschen, Steinen, Froschimitationen mit falschen Dollarscheinen im Maul. Nun fragt sie nach der Glaspyramide mit den goldfarbenen Kanten.



Die Curandera erklärt das Stilleben darin, das aus einer Puppenküche stammen könnte: ein Frosch, ein Bett, ein Haus, ein Auto, Dollarscheine, ein Flugzeug, die Imitation eines Passes mit Visum, die nachgemachte Urkunde einer Universität. Als die beiden auch darüber handelseinig sind, hält die Curandera die Pyramide über eine rauchende Schale, streut Blütenblätter darüber, beträufelt sie mit einer Flüssigkeit und murmelt zur Segnung einen Spruch. „Das stellst Du jetzt in Dein Haus. Man darf es ruhig sehen“, sagt sie und wickelt die Pyramide in Zeitungspapier ein.

Der „Markt der Wünsche“: eine Mischung aus Heilwissen, Kommerz und Aberglauben. Aber Hauptsache, es hilft...

Donnerstag, 10. Januar 2008

Lima im Sommer

Es gibt Momente, da liebe ich dieses Land. Ich sitze mit einer schwarzkopierten, unechten Lucky Strike auf dem Balkon, damit ich in der Wohnung die aufgeschlagene Wand vom neuesten Wasserschaden nicht anschauen muss, sehe im Scheinwerfer des Müllautos die Nebelschwaden ziehen, die mir die Sicht auf die Lichter der gegenüberliegenden Häuserreihe verwehren, höre Migrantenmusik aus den Anden (música chicha) mit Titeln wie „Ich bin aus der Provinz“, habe diesen unwiederstehlichen Fischgestank in der Nase und komme mit Ruth gerade von der berühmtesten Fokloreshow Perus, die wir nach einer Stunden wegen des übermenschlichen Grads an Surrealität verlassen haben. "Las Brisas del Titicaca". Was für ein Land!