Freitag, 31. Juli 2009

Cholita im Trend


Das Wort "Cholita" mag einmal ein Schimpfwort gewesen sein - und in manchen Situationen auch heute noch so gebraucht werden. Tatsächlich aber ist Cholita nicht einfach nur der Begriff für die Städterin, die die von den Spaniern erfundene Aymara-Tracht trägt. Es ist ein Konzept, das so gegensätzliche Dinge wie Geschäftstüchtigkeit, Kokettheit, Armut, Selbstbewusstsein und Bäuerlichkeit gleichermaßen vereint.
Während sich die Frauen dieser Tracht früher oft schämten und sie bei der Ankunft in der Stadt gegen ein Paar Jeans eintauschten, tragen sie die weiten, gestuften Röcke, die bestickten Blusen und schreiend bunten Schultertücher zusammen mit den dunklen Bowlerhüten und den langen Zöpfen heute mit Stolz - auch die jungen Mädchen. Cholitas sitzen im Parlament und bekleiden Ministerposten, La Paz kürt jedes Jahr eine Miss Cholita Paceña - und wer die neuesten Trends nicht verpassen will, besorgt sich bei der Stadtverwaltung eine der handverlesenen Eintrittskarten für die jährliche Cholita-Modenschau.
Dort waren im teuersten Hotel der Stadt in diesem Jahr im Publikum die amtierenden Schönheitsköniginnen, der Kulturminister nebst aparter Begleitung sowie jede Menge echter und getürkter Cholitas und auf dem Laufsteg Trachten in Tigermuster, Vicuña-Tücher, Schmuck und das neueste Schuhwerk zu bestaunen. Und zur fetzigen Rockmusik schwangen die Röcke noch eine Spur koketter und ausladender als auf den Straßen der Stadt.




















Montag, 27. Juli 2009

Stadt in Weiß



Der Winter in La Paz ist nicht wirklich lang. Er ist auch nicht mit einem strengen deutschen Winter zu vergleichen. Der Wind ist ein bisschen kälter als sonst, nachts sinken die Temperaturen noch ein bisschen weiter nach unten, untertags brennt die Sonne noch ein bisschen unbarmherziger. Aber sie scheint jeden Tag. Jeder Morgen beginnt mit einem Blick in einen stahlblauen Himmel und guter Laune.
Es sei denn, es schneit. Tatsächlich wird der Pazeñer Winter in Schneefällen gemessen. Zum Zählen der Schneefälle genügt pro Winter in der Regel eine Hand. Aber wenn es oben in El Alto auf der Hochebene, 200 Meter über La Paz, schneit, dann stauen sich die Lastwagen in die Yungas kilometerlang, und es ist allen Zeitungen eine Aufmachung wert. In La Paz spürt man in der Regel nur, dass es noch kälter geworden ist.
Heute morgen aber waren auch der Prado, die Altstadt und die Dächer des Zentrums für ein paar Stunden weiß überzuckert. Das letzte Mal soll das in den achtziger Jahren passiert sein. Ich überlegte kurz, ob ich nun doch eine Heizung kaufen soll. Aber dann sagten die Metereologen für diesen Winter nur noch einen einzigen letzten Schneefall voraus - und den übersteh´ ich jetzt auch noch ohne.





Die Fotos sind diesmal nicht von mir, sondern von meiner Kollegin Sandra Martinez.

Mittwoch, 22. Juli 2009

Der Hausberg


Kürzlich hat mich der Illimani auf dem Weg in die Arbeit so in den Bann gezogen, dass es mich flachlegte. Die Narbe auf dem Knie wird noch lange zu sehen sein. Wie oft ich den 6400 Meter hohen Hausberg von La Paz auch sehe, er lässt jedes Mal wieder aufs Neue mein Herz hüpfen. So sehr, dass ich neulich sogar behauptete, La Paz sei die schönste Stadt der Welt . . .


Donnerstag, 16. Juli 2009

Schrei nach Freiheit


200 Jahre alt ist der erste Schrei nach Freiheit in Lateinamerika und in Bolivien - wobei eher umstritten ist, wer auf dem Subkontinent wirklich als erster geschrien hat. Vom ersten Schrei an hat es dann auch immerhin noch 16 Jahre gedauert, bis die Unabhängigkeitsbewegung Erfolg hatte, die spanische Herrschaft abschüttelte und der Staat Bolivien geboren wurde. Freiheit allerdings bedeutete damals nur die Freiheit der in Südamerika geborenen Nachfolger der Spanier. Die anderen, die Indigenen, schreien heute noch - und haben immer noch Mühe, gehört zu werden. Irgendwelche Forderungen jedenfalls wurden zum 200. Jahrestag ordentlich übertönt: mit zwei zusätzlichen Feiertagen, einem umfangreichen Kulturprogramm, Aufmärschen und einer Sonderausgabe des Paceña-Biers - vielleicht dem greifbarsten Ergebnis von 200 Jahren Unabhängigkeit.

Montag, 6. Juli 2009

Tamiflu im Angebot

Schweinegrippe? In Deutschland ist diese Sau wahrscheinlich längst durchs Dorf getrieben, kein Mensch erinnert sich mehr, was das war. Dafür haben wir sie jetzt in Südamerika. Während im Nachbarland Argentinien die Menschen reihenweise sterben, gibt es hier in Bolivien erst einen Grippetoten - und der starb eigentlich an Chagas. In Santa Cruz natürlich, hier im kalten Hochland in La Paz fühlt sich der Virus nicht wirklich wohl.
Weil ich mich dummerweise gerade mit einer ordentlichen Nebenhöhlenentzündung herumplage, stattete mich die Abteilungsleiterin heute mit Mundschutz, Gummihandschuhen, gut gemeinten Empfehlungen und einem Tamiflu-Angebot aus. Die Frau ist Ärztin und arbeitet deshalb in der Defensoría del Pueblo, weil sie damals im Nachbarland Chile, im Kampf gegen die Diktatur, medizinische Gutachten über die Folteropfer anfertigte.
Ich lehnte das Tamiflu dankend ab. Ging stattdessen heim und legte mich ins Bett. Schlafen ist dann doch die bessere Medizin.

Donnerstag, 2. Juli 2009

Auf dem Trockenen

Meine Mitbewohnerin Gudrun wollte kürzlich was aus dem Gefrierschrank auftauen. Kein Wunder, dass das nicht klappte. Für Weißwein und Bier braucht man zurzeit auch keinen Kühlschrank. Und wenn wir am Wochenende weiche Butter oder flüssigen Honig benötigen, stellen wir die Sachen mal kurz im Hof in die Sonne. Ansonsten ist es eher schattig - und ich habe immer noch keine Heizung gekauft.
Auf der Internetseite der Zeitung La Razón lässt sich täglich das Wetter ablesen. Mittags um zwölf hatte es da in La Paz kürzlich 11 Grad Celsius und 28 Prozent Luftfeuchtigkeit, nachmittags um vier 14 Grad und 14 Prozent Luftfeuchtigkeit. Um zehn Uhr nachts sinkt die Temperatur dann meist auf den Gefrierpunkt.
Angesichts der Trockenheit hilft übrigens nur eines: Jeden Tag reichlich bolivianisches Paranussöl auf der Haut und in den Haaren verteilen und hinterher jeden Zentimeter des Körpers mit importierter Harnsäure-Lotion eincremen. Dick aufgetragen? Nein, Alltag!