Donnerstag, 24. Dezember 2009

Heilige Nacht!

Gudruns Geschenk - ein Lyrikkalender - war letztlich schuld daran, dass unser Weihnachten bis morgens um vier Uhr dauerte . . .



Mittwoch, 23. Dezember 2009

¡Feliz Navidad!


Montag, 21. Dezember 2009

Lo que mata, es la humedad


Die Freude über die abgesagte Reise nach Rurrenabaque im Departamento Beni währte nicht lange. Statt Montagmorgen flog ich Freitagmorgen. In der 30 Minuten entfernten Provinzhauptstadt Reyes weihten wir das neue Büro der Defensoría del Pueblo ein, wo sich Kollege Daniel Bogado jetzt um die Landkonflikte kümmern soll. Ich kriegte es sogar hin, in Vertretung des DED ohne Zettel ein paar formelle Worte vor Subpräfekt, Gemeinderatspräsident, Militärkommandeur und anderen Autoritäten zu sprechen. Dann gingen wir Mittagessen. Und während meine Kollegen wieder heimkehrten, blieb ich mit einem Freund, der mich begleitet hatte, in Rurrenabaque. Kurzurlaub sozusagen.





Es begann ganz entspannt am Hotelpool auf einem Hügel mit Blick auf den Fluss Beni, der später mal in den Amazonas mündet. Entspannt, bis es zu schiffen begann Freitagnacht, und fünf Tage lang kein Flug mehr rausging. "Lo que mata es la humedad y hoy hace un tiempo de mierda", heißt es in einem Lied. "Es ist die Feuchtigkeit, die einen umbringt, und heute ist ein Scheißwetter."
Einen Tag lang verbrachten wir damit, die Rückreise zu organisieren. Rannten auf den schlammigen Straßen von Rurrenabaque zwischen dem Büro der Fluglinie, mehreren Reiseagenturen und dem Busbahnhof hin und her. Im Bus sind es 20 Stunden, im 4x4 15 Stunden nach La Paz. Wir schafften es in zehn, in der Nacht von Sonntag auf Montag, in drei verschiedenen Sammeltaxis. Wie Pferdewechsel zu Zeiten der Inkas. Hatten uns zwei Bolivianern angeschlossen, die wahrscheinlich illegal Edelhölzer verhökern, und uns die Fahrtkosten auslegten, als uns dann mitten auf der Strecke in der Nacht das Geld ausging. Um drei Uhr morgens kamen wir an.
Eigentlich war´s ganz schön. Also hinterher. Muss ich aber nicht jede Woche haben, so eine Rückreise.



Samstag, 12. Dezember 2009

Auf Achse

Gerade eben hat mein Chef Gonzalo angerufen. Ich solle meinen Flug am Montag stornieren. Wegen des starken Regens komme Selva, die Chefin aus dem Beni, auf dem Landweg nicht durch nach Rurrenabaque, die Eröffnung des Büros dort müsse verschoben werden.

Mir fielen viele viele Steine vom Herzen. Nicht nur, dass ich mal wieder zur Unzeit hätte aufstehen müssen. Nein, es wäre die zehnte Reise innerhalb von drei Monaten gewesen. Ich war seit September ununterbrochen auf Achse gewesen - und das wurde jetzt selbst mir zuviel.

Manche Reisen verlaufen unspektakulär. Da waren zum Beispiel vier Flüge nach Santa Cruz. Die absolviere ich inzwischen, als würde ich in die S-Bahn nach Ebersberg einsteigen. Die Fahrt nach Oruro hingegen war nicht uninteressant, ich lernte sämtliche Gebrauchtwagenmärkte der Gegend kennen, weil mein Chef gerade eine Auto kaufen wollte. Ein Kongress in Quito erlaubte mir, meine Ex-Kollegen aus Ecuador wiederzusehen. Und eine Urlaubswoche mit Wastl in den Yungas war ausgesprochen erholsam. Aber da gab es auch die Rückfahrt von der Dienstreise nach Camiri und einen privaten Besuch in Apolo.

Camiri ist ein kleines Nest im Chaco Chuquisaqueño mit einer Fakultät für Erdöl- und Bergbauingenieure. Weil die geschlossen werden sollte, blockierten die Studenten die Brücke am Ortseingang. Es war schon dunkel, als wir uns nach Santa Cruz aufmachten und die beiden Flussarme mit dem Jeep durchqueren wollten. Den ersten schafften wir ohne Probleme, am zweiten gab es Stau. Zwei Laster und ein Panoramabus hingen am anderen Ufer fest, kein Durchkommen. Nach einer halben Stunden drehten wir um - und setzten prompt im ersten Flussarm auf einer Steinplatte auf.

Zwei Stunden dauerte es, bis uns ein Typ mit Brechstange und ein anderer mit Lastwagen befreit hatten. Ich ging erstmal mit den Kollegen Pizza essen und dann machte ich mich alleine auf den Weg. Ich hatte anderntags morgens um sieben meinen Flug von Santa Cruz nach La Paz, den ich unter keinen Umständen verpassen wollte.

Fuhr mit dem Taxi bis zur Brücke, die die Studenten mit Steinen und angezündeten Autoreifen sperrten. Rollte mein kleines Köfferchen im Dunkeln an den feiernden Jugendlichen vorbei. Auf der anderen Seite warteten Sammeltaxis. Ich war die zweite Passagierin, fehlten noch drei weitere bis zur Abfahrt. Die Strecke bis Santa Cruz wäre in fünf Stunden erledigt, es war aber erst elf Uhr nachts. Was um Himmels willen würde ich dann um vier Uhr morgens in Santa Cruz machen?

Ich beschloss, bis eins zu warten, damit ich pünktlich zum Check-in am Flughafen ankäme. Wenn bis dahin nicht genügend Passagiere zusammen waren, könnte ich immer noch die leeren Plätze bezahlen oder versuchen, in einem Bus unterzukommen. Ich packte mich also ins Taxi, setzte meinen Walkmann auf und schlief erstmal ne Runde.

Um zwölf weckte mich der Taxifahrer. Einen halben Kilometer weiter die Straße hinab würde gleich ein Bus nach Santa Cruz abfahren, die andere Passagierin würde dort nun ihr Glück versuchen, er wolle mir nicht schaden, ich solle doch mit der Frau mitlaufen. Das tat ich dann auch.

Die Frau verlor ich auf dem Weg, im Bus war kein Sitz mehr frei, ich kriegte einen Platz im Gang. Aufruhr unter den Passagieren, als mir der Fahrer den vollen Preis abknöpfen wollte. Aber was soll´s. Ich legte mich zwischen die Füße der anderen, setzte meine Walkman auf und schlief bis kurz vor Santa Cruz durch. Da war mir ein schlaftrunkener Passagier auf den Bauch gestiegen. Vom Busbahnhof nahm ich ein Taxi zum Flughafen, checkte ein, putzte mir auf dem Klo die Zähne und flog heim, wo ich mich erstmal wieder ins Bett legte.

Zwei Wochen später Apolo. Das ist ein kleines Nest im Norden des Departamentos La Paz. Eigentlich nicht weit weg. Bis weit in die achtziger Jahre aber war der Ort nur mit Sportflugzeugen zu erreichen. Inzwischen gibt es eine Straße, im Bus sind es zwölf Stunden. Die Fahrt ist spektakulär: Hinauf nach El Alto, auf dem Altiplano den Titicacasee entlang, bis nach sechs Stunden eine 1500 Meter tiefe Schlucht erreicht ist, deren Grund nicht zu sehen ist. Kurz vor dem Grund, auf einem vorspringenden Felsplateau, liegt der malerische Heiler-Ort Charazani. An dem vorbei führt der Weg bis zum Fluss hinunter, dem er dann nochmal fünf Stunden durch die Berge folgt, bis sich kurz vor Apolo eine Ebene öffnet.

Die Ebene sah ich nur noch im Dunkeln, ich kam mit vier Stunden Verspätung an. Wegen der starken Regenfälle hatte sich einer der Zuflüsse aus den Bergen so aufgestaut, dass es vier Stunden dauerte, bis die Passagiere eine Furt aufgeschüttet hatten, unser Bus auf abenteuerliche Weise durch die Wasserflut geschaukelt war und der Fahrer geholfen hatte, die beiden Busse, die bereits zwei Tage zuvor stecken geblieben waren, zu befreien.

Die Rückfahrt dauerte dann nochmal eine Stunde länger, also 17 Stunden. Um fünf Uhr nachmittags brachen wir auf. Schon bei Einbruch der Dunkelheit stoppten wir am ersten Erdrutsch. Später hielt uns die Drogenfahndung auf und entdeckte einen Sack Coca-Blätter ohne Eigentümer im Laderaum, dann machten die Zollfahnder Ärger, schließlich hielt der Fahrer an jedem Gartentürl, um noch mehr Passagiere einzuladen, und ganz am Schluss brauchte es dann doch noch eine Pinkelpause. Statt um fünf Uhr morgens war ich um zehn wieder in La Paz.

Schlechten Gewissens wegen der verspäteten Rückkehr aus meiner dreitägigen Kurzurlaubsreise nahm ich direkt ein Taxi ins Büro. Und da stand ich dann verlegen vor meinem Chef, mit verlegten Haaren, schlammverkrusteten Schuhen und dreckigen Jeans. Er lachte herzlich, wir hielten einen kurzen Plausch über die Unmöglichkeit des Reisens in der Regenzeit, und dann schickte er mich erstmal zum Duschen nach Hause.

In Bolivien muss man immer auf alles gefasst sein. Auch auf so was.

Sonntag, 6. Dezember 2009

De nuevo Evo



Dass Evo Morales die Präsidentenwahlen gewinnen würde, war klar. Seine Gegner waren nicht enrst zu nehmen: Entweder sitzen sie im Gefängnis oder sie stehen unter Anklage oder zumindest unter Korruptionsverdacht oder sie sind einfach nur unbedeutend. Die einzig spannende Frage vor den Wahlen war: Würde Evo Morales mit seiner Bewegung zum Sozialismus in den zwei Kammern des Parlaments die Zweidrittelmehrheit erhalten, die für Verfassungsänderungen und andere wichtige Entscheidungen notwendig ist?

Nun, im Senat hat er es geschafft, und im Abgeordnetenhaus kam die MAS auf sagenhafte 63 Prozent. Selbst von einer wirklichen Polarisierung im Land kann man nicht mehr sprechen: Evo gewann in sechs von neun Departamentos die Mehrheit. Und wenn ich demnächst wieder einmal in La Paz in einen Minibus steige, weiß ich, dass acht von zehn Fahrgästen Evo-Anhänger sind. Hier nämlich erreichte der ehemalige Cocabauern-Anführer fast 80 Prozent.

Auch für die Defensoría del Pueblo gingen die Wahlen eigentlich gut aus: Die ehemalige Defensora del Pueblo, Ana Maria Romero de Campero, und der ehemalige Defensor de Potosí, Eduardo Maldonado, wurden für die MAS in den Senat gewählt. Nun hofft die Institution auf die beiden Fürsprecher, wenn es um die Besetzung des Chefsessels und die Ausarbeitung des neuen Gesetzes über die Defensoría del Pueblo geht.

Foto: Wastl

Sonntag, 29. November 2009

Eine runde Sache


Mit Pisco, meinen WG-Genossinnen Imke und Gudrun, Wastl und unserem jungen peruanischen Hausfreund Alfredo, der für die Anreise aus Santa Cruz zwei Tage im Bus verbracht hatte, stießen wir in unserem Patio auf meinen runden Geburtstag an. Anderntags verschrieb mir der Augenarzt eine zweite Brille. Jetzt bin ich nicht nur kurz-, sondern gleichzeitig auch noch schwer weitsichtig. Und da war´s dann erst, dass mir klar wurde, dass ich wohl doch ein bisschen alt werde . . .
Foto: Wastl

Donnerstag, 26. November 2009

Entspannung in den Yungas

Von La Paz aus rauschten Wasti und ich auf kurviger Bergstrecke schlappe 2000 Höhenmeter hinab nach Coroico und verbrachten dort eine entspannte Woche mit Blick auf den 6088 Meter hohen, meistens in Wolken gehüllten Huayna Potosí. Wir wanderten durch Coca-Felder und auf den Hausberg Uchumachi, mampften Käse- und Schokoladenfondue, lauschten dem unvergleichlichen Lärm der Uchis, schwarzen Vögeln mit gelbem Schwanz, deren Nester wie Einkaufstaschen von den Bäumen hängen, genossen mit einem Bier am Hotelpool die Abendsonne und diskutierten darüber, ob die Yungas, diese liebliche Zone zwischen Hochanden und Amazonas, nun eher den österreichischen Alpen ähnelt (ich) oder doch exotisch ist (Wasti). Wir kamen zu keinem übereinstimmenden Ergebnis. Wer es deshalb genau wissen will, ist herzlich eingeladen, sich selber ein Bild zu machen.















Fotos: Wasti

Freitag, 16. Oktober 2009

Fragen über Fragen

Herrgott, wenn dieses Computerprogramm zur Registrierung der Konflikte im Land mal fertig ist, an dem wir in der Defensoría del Pueblo nun seit einem Jahr arbeiten, was mach ich dann im Büro? Als ich meiner Mitbewohnerin Gudrun vor zwei Monaten diese Frage stellte, lachte sie lauthals. Inzwischen kann ich über diese Frage auch nur noch lachen. Jetzt habe ich nämlich einen Jahresarbeitsplan für 2010, der bis Ende 2011 reicht, bei dem mir das Lachen allerdings sehr schnell vergangen ist.

Ein Jahr lang habe ich vor mich hingewurschtelt und das gemacht, was mein Chef Gonzalo für wichtig hielt. Ganz ohne Plan und Ziel. In dieser Woche aber haben wir uns in Santa Cruz für die Planung des nächsten Jahrs getroffen, zwei Dutzend Leute. Immerhin – es ging nicht nur um die Planung für mich, sondern auch für die Kollegin Verena, die an der argentinischen Grenze arbeitet, und drei bolivianische Kollegen, die die Defensoría del Pueblo neuerdings im Auftrag des DED im Norden von La Paz, in der Provinz Ballivián im Beni und in Monteagudo im Chaco Chuquisaqueño unterstützen. Plus eine internationale Fachkraft für den Beni, die gerade in Bonn ausgesucht wird. Außer dem Landesdirektor des DED und der Defensora waren die jeweiligen Chefs der Regionalbüros da, die Chefabteilung für Konflikte aus La Paz, mein Koordinator aus dem DED und noch ein paar weitere Wichtigheimer.

Rausgekommen ist eine Wirkungskette, an der wir jetzt unsere Arbeit orientieren müssen. Oberziel sind die Geltung und Einhaltung der Menschenrechte. Mittelfristig soll die Intervention der Defensoría del Pueblo in Konflikten effektiver werden. Rausgekommen ist auch ein Riesenpaket an Arbeit. Grob geschätzt die Hälfte davon teilen sich die fünf vom DED bezahlten Kollegen, die andere Hälfte betrifft meinen Arbeitsplatz. Unter anderem geht es darum, in den nächsten zwei Jahren ein komplettes konzeptionelles Fundament für die Arbeit in Konflikten yu entwickeln und die Kollegen in diesem Bereich zu schulen.

Dabei existieren ziemlich viele Unwägbarkeiten.

Da ist zum einen die politische Situation in Bolivien. Der letzte ordentlich ins Amt gewählte Defensor schied planmäßig im vergangenen Dezember aus. Weil aber das jetzige Parlament keine wichtigen Entscheidungen mehr trifft, da sich Bolivien im Februar für eine neue Verfassung und damit für Neuwahlen im Dezember entschieden hat, sind wir bereits seit fast einem Jahr unter Führung einer Interimschefin, die alles tut, um nicht aufzufallen.

Dann ist da die interne Situation. Die Interimschefin steht unter Beschuss, kürzlich hat ein Kongressausschuss ihre Absetzung verlangt. Mit der Wahl des Nachfolgers durch das neue Parlament wird aber nicht vor August 2010 gerechnet. Wenn dieser Nachfolger aber einmal feststeht, müssen alle wichtigen Funktionäre der Defensoría de Pueblo ihren Rücktritt einreichen – es wird also das komplette Personal ausgetauscht. Von der Linie des Nachfolgers hängt dann auch ab, ob die Defensoría del Pueblo weiterhin in Konflikten vermitteln wird oder nicht.

Nicht zuletzt redet dann auch Deutschland noch ein Wörtchen mit. Da ist zum einen die heikle Haushaltssituation, die daran zweifeln lässt, dass es nächstes Jahr wieder soviel Geld für Entwicklungshilfe geben wird wie in diesem Jahr. Und dann wollen sowohl CDU wie FDP den DED mit der GTZ zusammenlegen. Wie das ausgeht, weiß der Himmel.

Und dann muss auch noch ich entscheiden, ob ich meinen Vertrag, der noch ein Jahr läuft, überhaupt verlängern möchte. Wer weiß, wer der Nachfolger meines Chefs Gonzalo wird, wenn einmal das komplette Personal ausgetauscht ist? Fragen über Fragen.
Planung ist eben nur das halbe Leben.

Samstag, 10. Oktober 2009

Oktoberfest

Nach einer Portion Leberkäse mit Kartoffelsalat und einem kleinen Bier haben Imke und ich fluchtartig den Deutschen Club wieder verlassen - Oktoberfest in Bolivien, das muss wirklich nicht sein.

Freitag, 9. Oktober 2009

Neuwahl

Nie wieder Mitarbeit in einem Gremium, hatte ich mir geschworen. Nun sitze ich doch wieder in einem. Auf der Vollversammlung des DED Bolivien in Santa Cruz wurde ich in den Mitwirkungsausschuss gewählt, der an der strategischen Planung mitwirken und den Landesdirektor beraten soll. In Bolivien trifft sich das Gremium dazu dreimal im Jahr. Nicht gerade oft. Immerhin kann sich jetzt aber keiner mehr beschweren, dass ich nur alle drei Monate in das DED-Büro komme, um mein Geld abzuholen...

Montag, 5. Oktober 2009

Abschied von Angelito


Sonntagmorgen ist Angelito gestorben. Der 24-Jährige ist im Bett neben seiner Freundin erstickt. Die Hochzeit war für Dezember geplant gewesen.
Angelito (Mitte) hatte sieben Jahre in der Defensoría del Pueblo gearbeitet und war im August bei unserer Veranstaltung in Cochabamba dabeigewesen. Ein ruhiger, zurückhaltender Mensch, den alle mochten.
Sein Leichnam wurde Montagmorgen im Saal neben meinen Büro aufgebahrt. Nach der Totenwache durch die Kollegen und ein paar wenige Verwandte und einer Messe trugen ihn die Kollegen nachmittags im Sarg aus dem Saal und brachten ihn zum Friedhof, wo er begraben wurde.
Es ist nicht der erste Tote aus der Defensoría del Pueblo in diesem Jahr. Kürzlich starb bei einem Unfall ein Kollege aus Llallagua.

Freitag, 25. September 2009

Wiedersehen im Chaco


Mittagsschlaf am Straßenrand.
Eine Autofahrt durch den Chaco war vor einem Jahr meine erste Reise in Bolivien gewesen. Nun kehrte ich nach Monteagudo zurück. Diesmal eröffneten wir mit Unterstützung des DED das Büro der Defensoría del Pueblo in dem kleinen Ort. Von dort aus will die Institution ihren Kampf gegen die Schuldknechtschaft auf den Haciendas der Gegend fortsetzen.



Reden in einem kleinen Saal der Kirche, hinterher ehrenhalber ein Gläschen Wein für alle und eine Salteña und dann ein Nachmittag und ein Vormittag lang Interviews: mit der Bauernvereinigung, mit dem Viehzüchterverband, mit dem Stadtrat, mit dem Staatsanwalt, den Chefs der Guaraníes, den Behinderten, dem Arbeitsinspektor, der Agrarreformbehörde und Nichtregierungsorganisationen. Ein anstrengendes Programm mit einigen kabarettistischen Einlagen.
Drei Stadträte beim Interview im neuen Büro.

Die Guaraní-Vertreter.
Höhepunkt war sicherlich der Besuch beim Staatsanwalt. Ein zwei Meter großer Dickwanst mit schätzungsweise 200 Kilo, über den wir zuvor alle möglichen Klagen über Korruption und Verschleppung von Untersuchungen entgegengenommen hatten. In seinem Amtszimmer standen zwei lange Holzbänke, auf die wir uns drückten, und sein winziger Blechschreibtisch. Darauf ein angebissener Alfajor, ein voller Aschenbecher, die bolivianische Versions des BayWa-Kalenders, ein paar Akten und ein Gesetzbuch. Auf das pochte der Mensch mit den Schlitzaugen denn auch, als er sich gegen die Anschuldigungen von Stadtrat, Bauern und Guaraníes verteidigte. Königlich-bayerisches Amtsgericht ist ein müder Abklatsch.
Wie Monteagudo überhaupt einem bayerischen Dorf vor 50 Jahren sehr ähnelt, in den Strukturen, Machtverhältnissen, Schiebereien. Selbst die Bilder in der Auslage des einzigen Fotoladens von der letzten Prozession durch das Dorf könnten aus einem Ort wie Steinhöring stammen - zu Zeiten, als außer der Durchgangsstraße noch kein Weg asphaltiert war.
Gonzalo, Hector und Ximena Dávalos, die Chefin aus der Departaments-Hauptstadt Sucre, vor dem neuen Büro in Monteagudo.
Zeit für Heimweh nach Bayern aber war nicht. Vor vier Jahren hatte die Defensoría del Pueblo in einer Untersuchung die Schuldknechtschaft im Chaco dokumentiert: Etwa tausend Guaraní-Familien lebten fast wie Leibeigene auf den Haciendas der Großgrundbesitzer. Nun geht es darum herauszufinden, ob der Staat den damaligen Empfehlungen der Defensoría del Pueblo nachgekommen ist, um den Guaraníes ein menschenwürdiges Dasein und die Wahrnehmung ihrer Menschenrechte zu ermöglichen. Ob sich mit Versprechungen, Plänen und vielen Worten auch wirklich etwas geändert hat. Mit einer Kurzreise ist das allerdings nicht getan. Das Thema wird uns noch länger beschäftigen.
Auf der Hauptstraße des Ortes.

Sonntag, 13. September 2009

Familienzuwachs


Keine Angst, nicht bei mir. Juliane hat nun einen Bruder namens Sebastian - und ich bin zum zweiten Mal Tante geworden...

Samstag, 22. August 2009

Die Jungfrau von Copacabana

Die Jungfrau von Copacabana steht in einer Kirche am Titicacasee, ist die Schutzpatronin der Polizisten und Chauffeure und hat sehr viele devote Anhänger. Zu ihnen zählt auch Don Fidel. Unser Fahrer, Bote und Mann für alles gehört einer Bruderschaft an, die sich der Anbetung dieser Jungfrau verschrieben hat. Ein Jahr lang beherbergte er nun ein Bild der Schutzpatronin in seinem Haus, und bevor die Darstellung zu einem anderen Mitglied wechselt, musste er nun ein Fest für zweihundert Leute ausrichten. Das kostete Don Fidel mehrere tausend Euro. Ich war eine der wenigen Geladenen aus der Defensoría del Pueblo und streute ihm am Ende der Messe wie alle anderen Papierschnitzel ins Haar und auf sein Bild. Aufs Fest habe ich es dann aus vielen Gründen leider nicht geschafft. Ich hoffe, Fidelito trägt mir das nicht nach.

Sonntag, 16. August 2009

Überlebt


Gonzalo hetzte neben mir auf dem Kopfsteinpflasterweg durch die Hotelanlage bei Cochabamba. Es hatte gerade ein bolivianischer Referent abgesagt, der Minister sein auf Donnerstag verschobenes Kommen auf Freitag zurückverlegt, Aerosur für diese Woche alle Morgenverbindungen von La Paz nach Cochabamba gekanzelt, die Kollegin aus Puerto Suarez ihr Flugzeug verpasst. Eine andere Kollegin wollte die mühevoll zusammengebastelte Zimmerbelegung neu aufrollen, der Drucker funktionierte immer noch nicht, und unser provisorisches Eventbüro war nach wie vor auf meinem Hotelbett installiert. Wir schauten uns verzweifelt an. „Das überleben wir“, versicherten wir uns schnell und hetzten lachend weiter.

Klar haben mein Chef Gonzalo, Kollege Héctor und ich als Organisationstrio die dreitägige Veranstaltung überlebt. Sie trug den langen Titel „Soziale Konfliktivität und Menschenrechte im Rahmen der aktuellen bolivianischen Staatsverfassung“. Hinterher ist dann immer alles nicht mehr so schlimm. Alle sind zufrieden, die kleinen Malheurs längst vergessen, und wir haben sogar eine schriftliche Belobigung der Defensora erhalten, ein Memorandum, das eine amtliche Korrespondenznummer trägt. Aber es war ein Kraftakt.

Seit Monaten hatten wir die Veranstaltung geplant: das dreitägige Programm, die 13 Referenten, die 100 Teilnehmer. Das hieß, ein Konzept ausarbeiten, Einladungen verschicken, Okays von oben einholen, Vortragende briefen, Kosten kalkulieren, Geldgeber gewinnen, ein Hotel unter Vertrag nehmen, Dokumente zusammenstellen, An- und Abreisen koordinieren, Namensschilder in Auftrag geben - und unzählige Listen in Excel ausarbeiten: der Teilnehmer, der Flugdaten, der Hotelbelegung, der Mittagessen, der Ausgaben, der Herkunftsorte, der Ausweisnummern und all der anderen Informationen, die man sonst noch in Listen sammeln kann oder muss.

Für eine staatliche Institution war es revolutionär, dass nicht nur 50 Kollegen aus dem eigenen Haus und den Büros aus dem gesamten Land teilnahmen, sondern auch Leute von außen: 20 Vertreter sozialer Verbände aus ganz Bolivien und zehn Repräsentanten von Menschenrechts- und anderen internationalen Organisationen. Dazu kamen Defensoría-Kollegen aus Peru, Kolumbien, Mexiko und Argentinien, vier Referenten aus Bolivien, darunter ein Philosoph, eine Soziologin und ein Indigena-Führer, die zwei ehemaligen Defensores und natürlich die aktuelle sowie der Vertreter des Carter-Centers und ein Minister.

Am ersten Tag stand ein Erfahrungsaustausch der Defensorías del Pueblo in Lateinamerika in sozialen Konflikten und Menschenrechten auf dem Programm. Am zweiten Tag ging es um die Konjunktur, Interkulturalität, soziale Bewegungen und Konflikte in Bolivien. Und am dritten wurde über die bolivianische Defensoría del Pueblo, ihre Erfahrungen, die Schwierigkeiten, Herausforderungen und Zukunftvisionen in diesem schwierigen Panorama gesprochen.

Da die Kollegen nicht im eigenen Saft schmoren konnten, gab es auch harte Kritik: Die Defensoría del Pueblo hat sich vom sozialen Wandel im Land abgekoppelt, die weißen Mittelschichtsanwälte wissen wenig über die soziale Realität der Mehrheit ihre Landsleute, die Struktur der Institution ist überholt, sie versucht verzweifelt, sich aus der Polarisierung im Land herauszuhalten und übersieht dabei, dass Menschenrechtsarbeit eben politische Arbeit ist. Die Vorschläge: Die Institution muss aufs Land gehen, sich strukturell erneuern, interkulturell ausrichten und in die Politik einmischen, ohne parteipolitisch zu werden.

Hohle Worte, könnte man nun urteilen. Aber – zugegeben zufälligerweise – wird gerade der Strategieplan für die nächsten zwei Jahre überarbeitet. Und tatsächlich sollen die Ergebnisse der Veranstaltung darin einfließen. Es gibt also Hoffnung, dass die Anstrengung Früchte trägt.

Abgesehen von dieser erfreulichen Aussicht, 1000 Fotos, 24 Stunden Ton- und Bildaufzeichnungen, viel Schweiß und sechs Arbeitstagen von sechs Uhr morgens bis zwölf Uhr nachts gibt es auch sonst durchaus Schönes zu berichten. Unser Mann für alles, Don Fidel, der das Organisationstrio zum Quartett macht, hat mich als Zeichen seiner Freundschaft auf ein wunderbares Bier eingeladen. Héctor und ich verstehen uns inzwischen ohne Worte. Und Gonzalo begrüßte mich beim Gesellschaftsabend, den es natürlich auch gab, mit den Worten: „Meine Seelenfreundin!“

Den fünfstündigen Rückweg hinauf auf die Hochebene und nach La Paz traten wir vier wieder im Dienstwagen an, nachdem am Samstag auch der letzte Teilnehmer abgereist war. Wir genehmigten uns erst einmal ein Riesenportion in Fett ausgebratener Schweineschwarten an der staubigen Durchgangssstraße von Vinto, mit gekochten Maiskörnern und einer Zweiliterflasche Fanta. Erschöpft saßen wir unter dem Segeltuch an einem kleinen Holztisch und zerrupften das Fleisch mit den Fingern, ohne viel zu sprechen. Zehn Meter weiter säuberten Arbeiter mit dem Hochdruckreiniger Motorfilter. Am Nebentisch genehmigte sich einer schon ein Bier. Der Lautsprecher versuchte den Verkehrslärm mit Bonanza zu übertönen, „música chicha“, wie man hier sagt.

Und dann, kurz bevor wir aufstanden, um wieder ins Auto zu steigen, da hätte ich meine drei Männer plötzlich am liebsten abgeküsst. So ist das, wenn es da ist, dieses unerklärliche bolivianische Glücksgefühl.


Ein historisches Foto: Die drei Chefs in der Geschichte der Defensoría del Pueblo.

Minister Héctor Arce bei seinem Vortrag.




Die Chefin aus dem Defensoría-Büro in Tarija und der Repräsentant des Hochkommissars für Menschenrechte der Vereinten Nationen in einer Pause.

Das Ballett des Cochabambiner Stadttheaters beim Gesellschaftsabend.

Der Gesellschaftsabend.

Mit meinem Ex-Kollegen Pablo aus Peru und meinem aktuellen Kollegen Héctor.
Gruppenarbeit.

Gonzalo in einer Pause.

Don Fidel (rechts) und sein Cochabambiner Kollege Primo.


Die Defensora Rielma Mencias.

Auf dem Hinweg von La Paz nach Cochabamba.

Die drei Männer: Gonzalo, Fidel und Héctor.

Sonntag, 2. August 2009

Sixpacks



So ein WG-Abend kann ziemlich spaßig sein. Inzwischen gehen wir alle drei zu José Luis in die Pilatesstunden. Und während Männer in unserem Alter Bierbauch-Wettbewerbe veranstalten, vergleichen wir unsere Wadeln, Bizeps und Sixpacks...

Freitag, 31. Juli 2009

Cholita im Trend


Das Wort "Cholita" mag einmal ein Schimpfwort gewesen sein - und in manchen Situationen auch heute noch so gebraucht werden. Tatsächlich aber ist Cholita nicht einfach nur der Begriff für die Städterin, die die von den Spaniern erfundene Aymara-Tracht trägt. Es ist ein Konzept, das so gegensätzliche Dinge wie Geschäftstüchtigkeit, Kokettheit, Armut, Selbstbewusstsein und Bäuerlichkeit gleichermaßen vereint.
Während sich die Frauen dieser Tracht früher oft schämten und sie bei der Ankunft in der Stadt gegen ein Paar Jeans eintauschten, tragen sie die weiten, gestuften Röcke, die bestickten Blusen und schreiend bunten Schultertücher zusammen mit den dunklen Bowlerhüten und den langen Zöpfen heute mit Stolz - auch die jungen Mädchen. Cholitas sitzen im Parlament und bekleiden Ministerposten, La Paz kürt jedes Jahr eine Miss Cholita Paceña - und wer die neuesten Trends nicht verpassen will, besorgt sich bei der Stadtverwaltung eine der handverlesenen Eintrittskarten für die jährliche Cholita-Modenschau.
Dort waren im teuersten Hotel der Stadt in diesem Jahr im Publikum die amtierenden Schönheitsköniginnen, der Kulturminister nebst aparter Begleitung sowie jede Menge echter und getürkter Cholitas und auf dem Laufsteg Trachten in Tigermuster, Vicuña-Tücher, Schmuck und das neueste Schuhwerk zu bestaunen. Und zur fetzigen Rockmusik schwangen die Röcke noch eine Spur koketter und ausladender als auf den Straßen der Stadt.