Mittwoch, 17. Dezember 2008

Der Mann vor meinem Büro

Vor meinem Büro sitzt einer, der seit vier Jahren versucht, sein Recht durchzusetzen. Aber die Mühlen hier mahlen so langsam, dass sein Fall auf dem Weg durch die Justiz verjährt ist. Inzwischen beschäftigt sich das Parlament mit der Sache. Aber auch das arbeitet nicht schneller – und entschwindet außerdem gerade in die Weihnachtspause. Aus Verzweiflung ist der Mann nun in den Hungerstreik getreten. In der Defensoría. Im Erdgeschoss. Vor meinem Büro.
Mein Kollege Hector, der im dritten Stock sitzt, betreut den Fall. Er weiß glücklicherweise, was man in solchen Fällen macht. Er hat den Arzt geholt. Mehr kann leider auch die Defensoría im Moment nicht für diesen Menschen tun.
Hector hat Erfahrung mit solchen Fällen. In Cochabamba sind vor zwei Wochen mehrere Polizisten in den Hungerstreik getreten. Ein Konflikt, der schon länger schwelt. Dabei geht es um korrekte Besoldung, Aufstieg, ungerechtfertigte Entlassungen. Einer der Polizisten hatte sich schon von Frau und Kindern verabschiedet, den Strick an der Decke befestigt und gedroht, sich umzubringen, wenn nicht bis vergangenen Donnerstag, 17 Uhr, eine Lösung gefunden werde.
Hector erzählte, wie er den Polizisten überredete, das sein zu lassen und nach Weihnachten weiterzuhungern. Dass der Mann jetzt nicht mehr den Mut finde, sich umzubringen. Und nach einer Pause sagte er dann trocken: “Psychologisch sehr interessant.”

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