Freitag, 12. Dezember 2008

Friedensarbeit praktisch

Bolivien steht - mal wieder - ein hartes Jahr bevor. Am 25. Januar darf das Volk über die neue Verfassung abstimmen, und die Tieflandpräfekten machen bereits ordentlich Stimmung gegen den Text und gegen den Präsidenten Evo Morales. Außerdem finden, wenn die Verfassung durchgeht, in einem Jahr schon wieder Parlaments- und Präsidentenwahlen statt. Und dann müssen da etliche hohe Posten neu besetzt werden. Zum Beispiel der des Defensors, dessen Amtszeit jetzt am 18. Dezember enden wird. Über eine Nachfolge hat noch niemand nachgedacht.
Es ist vorherzusehen, dass sich die Polarisierung zwischen Hoch- und Tiefland, zwischen alten Eliten und neuen sozialen Bewegungen, zwischen Mestizen und Indigenen, zwischen Regierung und Regionalpräfekten nach dem Referendum zuspitzen wird. Egal, wie es ausgeht. Deshalb haben sich nun einige Institutionen zu einer "praktischen Gemeinschaft" zusammengeschlossen und bei einem viertägigen Treffen in Santa Cruz darüber nachgedacht, wie sie verhindern können, dass diese Polarisierung wieder einmal mit Gewalt ausgetragen wird. Sie hatten sich hohen und kompetenten Besuch eingeladen: den US-amerikanischen Friedensforscher und Konflikt-Guru John Paul Lederach.
Der hat sich in den achtziger Jahren einen Namen gemacht, als er zwischen den Sandinisten und den Misquitos und anderen indigenen Völkern von der Karibikküste Nicaraguas vermittelte. Vier Jahre lang dauerte der Vorbereitungsprozess, bis sich die beiden Seiten schließlich an einen Tisch setzten und direkt miteinander sprachen. In perfektem Spanisch, mit viel menschlicher Wärme und im Plauderton erzählte Lederach von seinen Erfahrungen und erklärte anhand der Anekdoten nebenbei seine Theorien - in denen es wie immer im Fachgebiet nur so wimmelt von Pyramiden, Dreiecken, Zyklen und anderen geometrischen Figuren.
Bei der Theorie hielt sich der Gast aber nicht lange auf. Zum einen traf sich Lederach zwei Tage lang mit den Akteuren des nationalen bolivianischen Konflikts. Natürlich mit jeder Gruppe einzeln: Er hörte sich die Geschichten derer an, die auf Seiten der Präfektur und des Bürgerkomitees von Santa Cruz stehen, und er sprach mit denen aus den sozialen Bewegungen, die auf Seiten der Regierung sind. Dann traf er sich mit mehreren Gruppen, die um den Konflikt kreisen und einen etwas analytischeren Blick darauf haben. Und zu guter Letzt brachte er die einladendenden Institutionen soweit, dass sie sich darauf einigten, zusammen daran zu arbeiten, dass ein Dialogprozess im Land in Gang kommt, auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, zu verschiedenen Themen und mit verschiedenen Gruppen.
Ergebnisse wird das so schnell nicht zeitigen. Das nächste Treffen findet im März statt. Ohne den Guru. Aber immerhin: Ein Anfang ist gemacht.

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