Samstag, 18. Oktober 2008

Warten auf Wunder


Oktober ist der Monat des "Herrn der Wunder". Weswegen Gläubige also zurzeit gerne in Lila herumlaufen und bei Prozessionen mitmarschieren. Auf dem Hauptplatz von Santa Cruz an der Kathedrale war ich auf der Suche nach einem Buchladen, der Samstagnachmittag geöffnet hat, auf ein Häuflein solcher Katholiken gestoßen.

Noch während ich mein Foto knipste, hörte ich plötzlich Böllerschüsse, Marschmusik und Megaphongeplärre. Da kam die politische Demonstration schon um die Ecke, ein paar bullig aussehende Berufsjugendliche mit Fahnen hinter einer Reihe wichtig aussehender Herren. Sie hielten akurat neben dem Spruchband, das zu den Katholiken gehörte: "Nein zur Gewalt, Ja zur Verständigung".



Die wichtig aussehende Herren stiegen am Hauptplatz auf den Wagen und begannen, ihre Anhänger einzunorden.

Erst der Typ mit der Miami-Vice-Sonnenbrille und der SS-artigen schwarzen Kappe. "Diese verdammte scheißschwule Mörderregierung", plärrte er im KZ-Aufseherton im Abstand von zwei Minuten in das Mikrophon, der Rest war nicht zu verstehen.

Dann kam der Typ im olivgrünen Outfit. "Diese Mörderregierung von verdammten Scheißschwulen", plärrte der ins Mikrophon. Da hatte sich das Häufchen Anhänger schon um ein paar Passanten erweitert, die mitklatschten.

Schließlich ging das Mikrophon an einen älteren Herrn in Weiß. Der Parteichef. Seine Rede begann mit den drei Worten: "Gott, Vaterland, Familie" und endete nach mehrmaliger Erwähnung der "mörderischen Scheißregierung aus verdammten Schwulen" mit dem Parteilied, einem Schlachtruf und Böllerschüssen.



Ich hatte mich schon gleich zu Anfang sicherheitshalber an den Eingang der Kathedrale geflüchtet. Von dort verfolgte ich das Ganze ein bisschen ratlos. Kommen jetzt gleich die anderen und kloppen sie sich dann? Aber wer sind die anderen, wenn ich nicht mal weiß, wer die einen sind?
FSB stand auf den Fahnen. Von Sozialismus war öfters die Rede. Gehörten die also zu Evo und meinten sie also die Provinzregierung von Santa Cruz, die sich abspalten will? Nein, aber gleichzeitig schimpften sie gegen den Kommunismus und forderten die Autonomie. Also waren sie zwar links, aber gegen Evo und für Santa Cruz? Herrgottnochmal, wer sind die denn? "Die Falangistas", sagte die ältere Dame in Lila neben mir und verschwand in der Kirche.
Die Falange Socialista Boliviana, las ich später in Wikipedia, ist linksnational und hat sich mit anderen Linken noch nie verstanden. Alles nicht so einfach in Bolivien. Da lob ich mir die Katholiken. Nachdem der Spuk vorbei war, zogen sie mit dem "Herrn der Wunder" durch die Straßen und skandierten den Rosenkranz. Und den kenn ich.







Solidaritätsplakat am Hauptplatz von Santa Cruz: "Leopoldo, halt durch!" Der ehemalige Präfekt der Tieflandprovinz Pando, Leopoldo Fernández, ist kürzlich wegen seiner Verantwortung für ein Massaker an unbewaffneten Bauern verhaftet worden.

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