Donnerstag, 9. August 2007

Heilige Hallen




Dem Hauptsitz der Defensoría del Pueblo in der Altstadt von Lima fehlt es nicht an Glanz. Beim Antreten zum Nationalfeiertag, Pflichttermin für uns alle, haben sie - wegen des Niesels draußen - die Flagge in der Halle gehisst. Es hat keiner gemerkt, dass ich den Text der Nationalhymne nicht konnte, und die Rede der Chefin dauerte dann auch nur eine halbe Stunde. Anschließend gab´s für jeden ein Glas Chicha morada, ein Getränk aus schwarzem Mais, und eine Wurstsemmel.

Rechts und links der Säulen stehen die Schreibtische, wo an normalen Tagen die Kollegen arbeiten, die die Beschwerden der Bürger entgegennehmen. Die warten oft in langen Schlangen, um sich über korrupte Beamte, zu hohe Stadtrechnungen, faule Lehrer oder schlechte Behandlung in staatlichen Krankenhäusern zu beklagen. Die Defensoría del Pueblo ist nicht selten die letzte Instanz für Menschen, die sonst nicht zu ihrem Recht kommen - und in einigen entlegenen Regionen des Landes die einzige Vertreterin des Staates, die sich überhaupt mal blicken lässt.

An manchen Tagen füllt die Berichterstattung über die Erklärungen, Studien, Gesetzesvorschläge und Stellungnahmen der Defensoría del Pueblo bis zu drei Seiten des Comercio, der größten Tageszeitung Perus. Es gibt praktisch keinen Tag, an dem die Behörde nicht zumindest in irgendeinem Artikel erwähnt wird. Der monatliche Bericht über die sozialen Konflikte im Land von der Unidad de Conflictos Sociales ist dem Comercio meistens eine eigene Seite wert.

Allerdings gefällt das nicht allen, und am allerwenigsten der Regierungspartei. Vor allem in den vergangenen Wochen ist die Defensoría del Pueblo von dieser Seite noch stärker angegriffen worden als sonst. Es hat dem Präsidenten nicht gefallen, dass es Widerworte gegen seine Verschwörungstheorie gab. Alan García wollte den Peruanern glauben machen, dass die sozialen Unruhen im Land von linksextremistischen Kräften aus Bolivien und Venezuela angestachelt wurden... Über so viel Unsinn kann man nicht mal mehr lachen.

Aber so suspekt den Regierungspolitikern (und anderen natürlich auch) die Defensoría del Pueblo ist, weil sie eben nicht so spurt, wie man das gerne hätte, so suspekt ist unsere Abteilung dem Rest der Behörde. Die beschäftigt nämlich im gesamten Land ausschließlich Juristen - mit eben einer einzigen Ausnahme: der Unidad de Conflictos Sociales.

Soziologen, Ethnologen und Philosophen stehen ohnehin im Ruf, die falsche Gesinnung zu haben, und wenn sie dann auch noch von ganz bestimmten Universitäten kommen, tstststs, da weiß man doch schon, woher der Wind weht. Dummerweise ist Peru klein, also zumindest was die Zahl der Einwohner (28 Millionen) angeht, und die akademische Welt ist noch kleiner, und wer in seiner Zeit an der Uni mal in irgendeiner falschen Partei Studentenführer war, der zittert heute, dass das auffliegt. Da viele der Posten in der Defensoría quasi halbpolitisch sind, kann einem das schnell den Kopf kosten.

So führt die Unidad ein Inseldasein in jeder Hinsicht, auch geografisch. Wir sind weit weg von der Zentrale in einem Ladenlokal in einem abgetakelten Einkaufszentrum des Nobelviertels San Isidro untergebracht. Nicht ganz so glanzvoll wie am Hauptsitz. Dafür gibt´s bei uns keine Kleiderordnung - die festangestellten Kollegen besitzen ausser den grellblauen Schutzwesten sogar eine Defensoría-Uniform - und neuerdings einen Fernseher. Nun läuft statt des Radios den ganzen Tag die Glotze.


1 Kommentar:

Anonym hat gesagt…

Hallo Uschi!!!
Meine Schwiegermama ist begeisterte Anhängerin deiner Schriften. Ich hoffe, daß wir uns bald mal wieder hören/lesen werden. Sind gerade bei den Schwiegis, da der Opa Geburtstag hat. Wünsche dir bis zum nächsten Mal noch eine schöne Zeit.
Liebe Grüße auch von Juli und Rainer sowie meinen SChwiegis